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Ochsengarten: Wie Freddie Mercurys Stammkneipe weiterlebt
Conie Morarescu 10.09.2022 – 08:46 Uhr
Auszug aus/ Quelle/ Source:
http://www.abendzeitung-muenchen.de
München – Stolz zeigt Elke Seifert auf die große Weltkarte im engen Windfang, direkt neben der Eingangstüre.
Bunte Pinnadeln markieren die Orte, aus denen ihre Gäste zu Besuch gekommen sind: Amerika, Europa natürlich, aber auch Asien, Neuseeland, eine Pinnnadel sitzt sogar auf Mikronesien.
„In der Schwulenszene kennt man den Ochsengarten auf der ganzen Welt“, freut sich die 55-Jährige. „Es gibt sogar den Spruch in der Szene: Wenn du nicht im Ochsengarten warst, warst du nicht in München.“
Seifert lächelt etwas verlegen. Kurzhaarschnitt, blond gefärbt mit braunen Strähnen im Pony, das Gesicht rund und weich. Elke Seifert bezeichnet sich selbst als „Schwulenmutti“, ihren Kunden stehe sie sehr nahe, sie habe immer ein offenes Ohr. 2020 hat sie die Kult-Schwulenkneipe übernommen, dessen 55-jähriges Jubiläum an diesem Freitag groß gefeiert wurde. 9.9.2022: „Den Schnapszahlentag haben wir uns bewusst ausgesucht“, lacht Seifert. Sie trägt ein buntes Regenbogenkleid, auch das natürlich bewusst gewählt.
In den 80ern war Freddie Mercury im Ochsengarten Stammgast
An der Wand gegenüber der Bar hängen Plakate mit Motiven von Männern in Leder, darunter auch Queen-Sänger Freddie Mercury in lasziver Pose auf der Bühne, mit leicht geöffneter Hose und einer Krawatte auf nacktem Oberkörper. In den Achtzigern der wohl berühmteste Stammgast. Er wird zur Bekanntheit des Ochsengartens beigetragen haben.
Reine Schwulenkneipen, in welche Frauen keinen Zugang haben, scheinen in München auszusterben. Umso wichtiger ist der Ochsengarten für die Szene, weiß auch Seifert. „Für meine Kunden ist das ein geschützter Ort, dort können sie sie selbst sein, ohne schräg angeschaut zu werden. Darum ist Frauen der Zutritt nicht gestattet. Nicht weil sie ausgegrenzt werden sollen.“
Ein Schutzraum mit 55-jähriger Tradition. Aus diesem Grund hat Seifert optisch keine Veränderungen vorgenommen. „Mein Motto lautet: Es soll alles so bleiben, wie es war.“ Eine urige bayerische Boazn. Mit dem Unterschied, dass Schwulen-Poster die Wand schmücken, dass man auf dem Weg zur Toilette an einem Hundezwinger und einem Andreaskreuz für SM-Praktiken vorbei geht. Seiferts einzige Zutat für ein bisschen mehr Gemütlichkeit: LED-Kerzen auf den Tischen.
„Was allerdings niemand sieht, ist, dass wir viel erneuert haben, zum Beispiel die ganze Elektrik“, berichtet die Chefin. Mitten im Lockdown hat sie den Ochsengarten von Fridl Steinhauser übernommen. Ihr Mann Thomas Seifert gründete eine GmbH, sie übernahm die Leitung. Ohne Corona-Hilfen musste die frisch gegründete GmbH auskommen. Doch die Seiferts haben trotzdem investiert. Dass Elke Seifert der Laden sehr am Herzen liegt, beweist auch ein Tattoo auf ihrem rechten Handgelenk: das Ochsengarten-Logo.
Elke Seifert: „Ich bin so glücklich wie noch nie“
„Ich bin glücklich“, sagt Seifert. „So glücklich wie noch nie.“ Ihr Mann – „der beste Mann der Welt“ – habe sie aufgebaut, ihr wieder zu Selbstvertrauen verholfen. 2017 haben sie geheiratet. Seifert hört im Gespräch konzentriert zu. Nach jeder Frage erst eine Pause. Dann denkt sie nach, bevor sie vorsichtig antwortet.
Ihre schwierige Vergangenheit deutet sie nur an. Die alte Clique in ihrer Heimatstadt Mannheim habe ihr nicht gutgetan. Deshalb sei sie nach Konstanz gezogen. „Das liegt alles schon lange zurück. Damals war ich Fitnesstrainerin und noch schlank“, erinnert sie sich und lacht. Vor 17 Jahren wagte sie den Umzug nach München: „Wegen der Liebe und wegen dem Job, beides gibt es heute nicht mehr.“ Aber das sei egal. „Ich bin glücklich.“
Eine Frau als Chefin einer Schwulenkneipe. Das hat im Ochsengarten Tradition. Vor 55 Jahren, 1967, eröffnete Gusti Wirsing den Ochsengarten neu als Lederkneipe. Zuvor war es eine Rotlicht-Bar, musste aber dichtmachen. Denn wegen der Sommerspiele 1972 wurde der Sperrbezirk in der Innenstadt eingeführt. Im Gründungsjahr – welch Zufall – wurde Elke Seifert geboren. Sie fühle sich der Gusti innerlich verbunden, irgendwie sei da ein Gefühl von Solidarität. Viel weiß sie nicht von ihr. „Nur, dass sie wohl auf Leder-Typen stand.“
Donnerstags haben auch Frauen Zutritt
Donnerstags wird Frauen der seltene Zutritt in den Ochsengarten gewährt. Beim wöchentlichen SM-Treffen. So kam Elke Seifert zehn Jahre lang als Kundin in das Lokal. Sie freundete sich mit Chef Fridl Steinhauser an, der – wieder so ein Zufall – ihr Nachbar war. Steinhauser hatte Gründerin Gusti Wirsing abgelöst. Von einer Frau übernommen, gab er die Kneipe schließlich an eine Frau weiter. Jetzt, 55 Jahre später, ist der Ochsengarten also noch genau das, was er einmal war. Und er wird im selben Geiste weitergeführt.
Schwulen-Lokal in München: Neuer Ochsengarten-Wirt ist eine Frau!
Ruth Frömmer, 16.12.2020 – 06:37 Uhr
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Friedl Steinhauser übergibt seinen Ochsengarten an Elke Seifert. Sie verspricht, das legendäre schwule Lokal in seinem Sinn weiterführen.
München – Eine Frau im Ochsengarten? Wer das legendäre Lokal kennt, wundert sich. Denn Frauen haben hier eigentlich keinen Zutritt. Der Ochsengarten an der Müllerstraße ist eine der wenigen verbliebenen reinen Männerkneipen im Glockenbachviertel. „Und es bleibt auch weiterhin alles beim Alten“, versichert die neue Pächterin Elke Seifert.
Sie und Steinhauser sind Nachbarn, kennen sich vom Ratsch über den Balkon. „Als Friedl mir erzählt hat, dass er ans Aufhören denkt, dachte ich mir: Das ist die Gelegenheit!“, sagt Seifert. Die gebürtige Mannheimerin hat schon viel gemacht: Banklehre, kaufmännische Angestellte, Fitnesstrainerin, Gastro-Angestellte bei der Bahn; zuletzt war sie Massagetherapeutin.
Neue Wirtin will den Ochsengarten nicht verändern
Den Ochsengarten will sie genauso weiterführen, wie er war, als reines Men-Only-Lokal mit gelegentlichen Motto-Partys. Auch der Fetisch-Stammtisch jeden Donnerstag soll bleiben. Ansonsten will sich die neue Wirtin in der Schwulen-Community ein bisschen umhören, was sich die Gäste für Veranstaltungen wünschen. Der gute Draht in die Szene ist schon da. „Ich habe einen sehr queeren Freundeskreis“, erzählt sie. Viele ihrer ehemaligen Bahn-Kollegen und Freunde sind schwul. „Aber ob schwul oder nicht schwul – für mich ist ein Mensch ein Mensch“, betont die sympathische Wirtin.
Im Moment bringt sie das Lokal zusammen mit Freunden wieder ein bisschen auf Vordermann. Die Einrichtung bleibt wie gehabt. Auch das Personal wird teilweise dort weiter arbeiten. „Am Anfang werde ich natürlich viel selbst im Lokal stehen“, so Seifert und weiter: „Sobald Corona es zulässt, stehen wir parat. Ich bin gerne Gastgeberin!“
AZ-Interview
Ochsengarten-Wirt hört auf – und sucht einen Nachfolger
Interview: Annette Baronikians, 18.07.2020 – 08:17 Uhr
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„Das hier ist keine Liebhaberei“: Friedl Steinhauser hinter seinem Tresen. Foto: Annette Baronikians
„Friedl“ Steinhauser betreibt seit Jahrzehnten den Ochsengarten, Deutschlands älteste Lederbar. Jetzt soll Schluss sein. Ein Gespräch zum Abschied.
München – Fridolin Friedl Steinhauser ist eine Legende im schwulen Nachtleben. Seit 1978 betreibt er den Ochsengarten in der Müllerstraße. Der 72-jährige gelernte Metzger betrieb einst auch die Teddy-Bar. Die AZ hat ihn nochmal besucht.
AZ: Grüß Gott, Herr Steinhauser. Einen Kneipenwirt traut man sich derzeit kaum zu fragen, wie’s geht.
FRIEDL STEINHAUSER: Danke, da haben Sie recht. Corona-bedingt sind Kneipen und Bars nach wie vor zu. Nix kommt rein, doch die Kosten laufen weiter.
Deshalb hören Sie aber nicht auf, oder?
Stimmt. Vor zwei Jahren ging es mir gesundheitlich sehr schlecht. Jetzt geht’s wieder, aber irgendwann muss mal Schluss sein.
Ochsengarten: Nachfolger gesucht!
Und jetzt suchen Sie also einen Nachfolger.
Einen gscheidn! Zum einen ist das hier ja keine Liebhaberei. Das macht Arbeit, sieben Tage die Woche. Zum anderen muss der Neue reinpassen. Es soll ja so bleiben, wie’s ist.
Damit meinen Sie nicht nur die Einrichtung mit massig dunklem Holz, was ein bisserl an einen alten Partykeller erinnert, nehmen wir mal an.
(lacht) Richtig. Das sah hier im Grunde schon immer so aus, schon bei der Ochsengarten-Gründerin, der Gusti, die 1967 aus einem Animierschuppen ein Lokal für Lederkerle gemacht hat. Die Einrichtung hat immer gepasst, deshalb blieb’s so. Eine Leder- und Fetischkneipe soll der Ochsengarten natürlich eh bleiben.
In den 80er Jahren gab’s in der Isarvorstadt noch an die 50 schwule Szenekneipen, heute nur noch etwas mehr als eine Hand voll. Machen Sie sich da keine Sorgen um den Erhalt Ihres Lokals?
Ein Grund für diesen Wandel ist sicher das Internet, das es möglich macht, sich einfach zusammenzubestellen. Doch es geht ja nicht nur um Sex, sondern auch um soziale Kontakte. Außerdem haben wir, wenn man so will, auch eine Nische gefüllt. Lack- und Lederfreunde gab’s und gibt’s immer. Wir waren die Ersten, die auf Fetisch gesetzt haben – und sind inzwischen die Ältesten.
Wie sieht es mit jungen Gästen aus?
Bei uns treffen sich Alt und Jung, Dick und Dünn, Leder und Gummi, ganz egal! Viele wurden zusammen mit mir alt, doch es kommen auch junge Gäste.
Auch Heteros?
Ja, öfter wird mal ein Junggesellenabschied gefeiert. Nach einigen Gläsern gibt es da keine Kontaktschwierigkeiten mehr mit den Lederkerlen. Bei uns gibt’s eigentlich nichts, was es nicht gibt, auch bi, Familienvater, Professor, Priester, Promi oder was und wer auch immer.
Promis im Ochsengarten
Welche Promis waren hier?
Der nette Freddie Mercury, Dirk Bach, der Fassbinder und zig andere. Darüber reden wir nicht. In erster Linie kommen nach wie vor Männer, die auf Leder und Gummi stehen. Die würden in einer anderen Kneipe komisch angeschaut werden.
Also braucht’s auch heute noch solche Rückzugsorte?
Ja, weil man hier im wahrsten Sinne des Wortes frei sein kann und unter sich ist. Doch die Gesellschaft hat sich glücklicherweise geöffnet. Ich stamme ja aus einer Zeit, als Homosexualität sogar noch strafbar war, als keiner vom Schwulsein wissen durfte und viele eine Alibi-Freundin hatten.
Wie war das bei Ihnen?
Ich wuchs im Allgäu auf einem Bauernhof auf, da kann man sich vorstellen, dass das nicht lustig war. Doch mit meinen Eltern hatte ich Glück. Mein Schwulsein war zwar ein Tabu-Thema, doch sie besuchten mich regelmäßig selbst in meiner damaligen schwulen Teddy-Bar. Dass ich mal glücklich verheiratet sein würde – wie jetzt mit meinem Rainer –, hätte ich mir damals aber selbst nicht träumen lassen.
Pächter macht Schluss
München: Steht der Ochsengarten vor dem Aus?
Lea Kramer, 16.07.2020 – 09:32 Uhr
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Der Pächter der ältesten Münchner Lederkneipe hört nach mehr als 40 Jahren auf. Jetzt sucht er einen Nachfolger für das Lokal am Sendlinger Tor in der Müllerstraße.
München – Was im Ochsengarten passiert, bleibt im Ochsengarten. So ist das. So war das in den vergangenen 50 Jahren. Und so soll es auch bleiben. Allerdings ist die Zukunft der legendären Schwulenbar in der Müllerstraße ungewiss. Denn Wirt Friedl Steinhauser hat angekündigt, dass er aufhören will.
Schon lange gibt es an der Adresse in der Müllerstraße 47 eine Schänke. Das Haus stammt aus der Zeit um 1800, Roß- und Rindermarkt sind nicht weit weg und auch die Flößer kamen gern auf eine Halbe dort vorbei. Vor allem aber Bauern, die ihre Tiere kauften und verkauften, gaben dem einstigen Biergarten seinen heutigen Namen.
Ochsengarten war seit den 60er Jahren ein beliebter Schwulentreff
Zwischen den Weltkriegen, aber auch nach 1945 war die Isarvorstadt ein beliebtes Rotlichtviertel, der Ochsengarten ein Animierschuppen. Geführt hat ihn seit Mitte der 60er Jahre Augusta Wirsing – von allen nur Gusti genannt. Sie machte aus dem Ochsengarten, dem Treffpunkt der Sexarbeiterinnen, eine Anlaufstelle für junge homosexuelle Männer. Genauer: für solche mit Lederfetisch. Und das, obwohl sexuelle Handlungen zwischen Männern damals noch unter Strafe standen und die bayerische Politik dem alles andere als tolerant gegenüberstand.
Von Gusti übernahm Fridolin Steinhauser 1978 den Ochsengarten und alles, was dazugehörte. Im Allgäu geboren und eigentlich gelernter Metzger war er als 24-Jähriger nach München gekommen, schnell Stammgast im Ochsengarten, dann Kellner und ist dort mittlerweile seit vier Jahrzehnten Wirt. Jetzt ist für ihn Schluss – allerdings nicht wegen Corona, sondern weil er 72 Jahr alt ist. „Für so ein Geschäft braucht es vielleicht auch mal wieder jemanden Jüngeres. Jemanden, der jeden Tag frisch hinter dem Tresen stehen kann“, sagt er. Gesehen hat er in der Zeit vieles, vor allem, wie sich das Viertel rund um den Gärtnerplatz, aber auch die schwule Szene selbst veränderte.
In 50 Jahren kam nicht einmal die Sittenpolizei
Der Straßenstrich in der Müllerstraße wurde zwar erst zu den Olympischen Spielen 1972 verschärft kontrolliert. Unter Peter Gauweiler (CSU) als rigidem Leiter des Kreisverwaltungsreferats hatten die Wirte der Isarvorstadt vor allem in den 80ern wenig Spaß. Der CSU-Mann erweiterte den Sperrbezirk, drängte die Prostitution an den Stadtrand und ging hart gegen Peepshows, Sex-Clubs und die Treffpunkte homosexueller Männer vor. Doch in den mehr als 50 Jahren, die es den Ochsengarten gibt, sei nicht ein Mal die Sittenpolizei ins Lokal gekommen, sagte einmal ein Mitarbeiter zur AZ – obwohl es dort bis vor Corona noch regelmäßig Nacktpartys und ein Spielzimmer für sexuelle Verabredungen gab.
Längst stehen schwule Gastronomen aber vor ganz anderen Herausforderungen: Ihnen bleiben die Gäste weg. Gab es in den 80er Jahren in der Isarvorstadt noch an die 50 Szenekneipen, sind es heute nur noch n eine Handvoll. Das hat auch damit zu tun, dass Homosexuelle nicht mehr auf die dunklen Hinterzimmer der Gaststätten angewiesen sind. „Die Szenelokale hatten auch immer eine große Bedeutung, um Sexkontakte zu finden“, sagt Stadtrat Thomas Niederbühl (Rosa Liste), „durch das Onlinedating hat sich zwar viel verändert, dennoch merken wir, dass queere Menschen ein großes Bedürfnis nach sozialen Kontakten haben“. Auch deshalb seien Rückzugsräume, wie der Ochsengarten für die LGBTI*-Community so wichtig.
Findet der Fetisch-Treff einen neuen Pächter?
Gastronom Friedl Steinhauser kennt das alles nur zu gut. Schon einmal hat er einen Laden zumachen müssen: Die Teddy Bar in der Hans-Sachs-Straße – mit den berühmten Plüschbären an der Decke, heute Bäckerei und Kosemtikstudio – schloss endgültig im Jahr 2011, nachdem sie wegen Luxussanierung in die Pestalozzistraße hatte umziehen müssen.
Ob den Ochsengarten dasselbe Schicksal ereilt, ist ungewiss. Immerhin handelt es sich um die älteste noch existierende Schwulenkneipe in der ganzen Stadt.
Da die Kneipe dem schwulen Fetisch vorbehalten ist, hofft auch Thomas Niederbühl, dass sich ein Nachfolger findet. „Bei allen guten gesellschaftspolitischen Veränderungen ist es wichtig, dass solche Räume nicht verlorengehen“, sagt er. Auch Steinhauser ist zuversichtlich: „Wenn die Nachfolge es gut macht, hat das ganze Zukunft“, sagt er.
Aus Liebe zum Leder
Sabrina Ebitsch, 08.12.2011 – 14:11 Uhr
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Klub für Kerle: Der Ochsengarten in der Müllerstraße hat seit Jahrzehnten einen bundesweiten Ruf in der Schwulenszene. Er war das erste Fetischlokal Deutschlands, Motto Nächte gibt es auch heute noch.
Der Ochsengarten ist eine Trutzburg, wenn auch eine kleine, bewehrt mit schwarz verklebten Fensterscheiben und zwei dem traditionsreichen Namen angemessenen Hörnern, die er im Wappen oder vielmehr Logo trägt. Eine Enklave des angenehm Verschmuddelten ist er in der Müllerstraße inmitten von Bars mit Glasfronten und Apple Pie Martini und Agenturen und Nagelstudios.
Im Ochsengarten gibt es nichts mit Apfelaroma, keine leichten kleinen Gerichte und keine Panoramafenster. Es gibt gar kein Tageslicht. Im Ochsengarten gibt es eine Einrichtung, von der nicht einmal der Wirt weiß, wie alt sie ist, eine Holzverschalung an den Wänden, wie man sie aus Partykellern in Einfamilienhäusern kennt, und ein paar leicht oder vielmehr schwer mit Leder, aber nicht allzu viel davon, bekleidete, muskulöse Männer an den Wänden.
Die Plakate, auf denen die papiergewordenen Traummänner des Ochsengarten-Publikums zu sehen sind, stammen aus London, Chicago und Los Angeles, sind vergilbt und haben fast historischen Wert. Wie der Ochsengarten selbst, der mit 44 Jahren Deutschlands älteste Lederkneipe ist. Damals, erklärt Wirt Fridolin Steinhauser, habe es keine schwulen Reiseführer gegeben, da hat sich die Szene die Adressen und Plakate mit einschlägigen Lokalitäten um den halben Globus postalisch zukommen lassen.
Steinhauser sitzt in seiner Kneipe und sieht mit der Hornbrille, in seiner Cordhose und seinem Karo Hemd so ganz anders aus als die Männer an der Wand hinter ihm. Manchmal, erzählt er, werde er ja schon gefragt, was aus seiner Figur geworden sei. „Aber das ist 40 Jahre her.“ Steinhauser war fast von Anfang an im Ochsengarten dabei, zumindest seit seiner Neueröffnung als Lederkneipe, ist mit dem Laden und seiner Kundschaft alt geworden.
Bevor der Ochsengarten eine Nische füllte und zur Institution im Gärtnerplatzviertel und in der Schwulenszene wurde, war hier nicht mehr viel los. Einst als Biergarten für die Bauern und Händler gegründet, die hier Ochsen kauften und verkauften und der Wirtschaft ihren heute noch immer irgendwie passenden Namen gaben, war in den 1950er und 1960er Jahren ein Treffpunkt für die Damen, die auf dem Straßenstrich in der Müllerstraße ihr Geld verdienten.
Als im damaligen Rotlichtviertel allmählich das Licht ausging, übernahm die Bedienung Gusti die Wirtschaft von ihrem Chef – und hatte den richtigen Riecher: Sie machte aus der Wirtschaft einen Treffpunkt für die schwule Szene und damit eine kleine Revolution. Augusta Wirsing machte aus dem Ochsengarten das, was er heute ist.
„Das war schon eine Person, ein Unikum“, sagt Steinhauser und lacht. Er wiederum stand jahrelang unter ihrer Ägide hinter der Bar. Nachdem er, aus einem kleinen Dorf im Allgäu kommend, hier eine neue Heimat gefunden hatte, sagte die Gusti zu ihm, wenn er eh schon jeden Abend hier sei, könne er auch arbeiten. Was Steinhauser dann auch tat, mit 24 fing er im Ochsengarten an. „Die Gusti ist meistens nur dagehockt, hat ihren Spaß gehabt und sich mit den Leuten unterhalten“, sagt Steinhauser. Bedient haben er und andere junge Kerle, weil „das zieht natürlich“.
Die Gusti habe sich nicht nur Schnaps um Schnaps ausgeben lassen, sondern auch keine Cola ohne Schnaps dazu verkauft. Und wenn es besonders lustig zuging, dann habe sie auch schon mal die Bluse hochgehoben, wohlwissend, dass das hier mehr Aufführung als Verführung war.
„Die Gusti hat halt dazugehört, mit Sex hatte das bei ihr nie was zu tun“, fast sei sie das Maskottchen der Münchner Lederszene gewesen, sagt Steinhauser und es klingt wie ein Ehrentitel. Die Gäste, die sonst bei Damenbesuch eher verstimmt reagieren, hatten mit ihr kein Problem und sie hatte, lange bevor Paragraf 175 abgeschafft wurde und noch länger bevor zwei Männer Hand in Hand durchs Viertel gehen konnten, kein Problem mit Schwulen. Dass hier eine Wirtin den Laden geführt hat, mag den Ochsengarten auch vor Repressionen geschützt haben.
Und der Laden lief. Mit einem „erlesenen Publikum“, wie Steinhauser sagt, mit Doktoren und Professoren, die hier nur einen Vornamen hatten. Zu den Hochzeiten sei Freddie Mercury Stammgast gewesen, wenn er in München war. Unscheinbar sei er gewesen, sagt Steinhauser: „Er hatte die Lederkappe tief ins Gesicht gezogen, dunkel war’s eh. Wenn man’s nicht gewusst hätte… Aber es wäre auch keiner hin und hätte nach einem Autogramm gefragt.“ Rainer Werner Fassbinder sei immer da gehockt, erzählt Steinhauser und zeigt auf das noch düsterere Hinterzimmer. „Mit Hut im Dunkeln, einsam, er hat wenig mit den Leuten geredet.“
Als Gusti nach einem Unfall nicht mehr arbeiten konnte, hat Steinhauser, der eigentlich gelernter Metzger ist, übernommen und nicht viel verändert. „Ich wollte den Ochsengarten als Lederladen weiterführen. Eine Nische, wo die Leute, die das lieben, hingehen konnten“, sagt Steinhauser.
Manchmal klingt er, als müsse er all jene beruhigen, die hinter den schwarzen Scheiben und angesichts einiger Dekorationselemente Sodom und Gomorrha vermuten. „Ich weiß gar nicht, was die Leute für eine Meinung haben, was wir hier machen. Man sitzt halt beieinander, knutscht sich nieder.“ Ganz normale Leute mit ganz normalen Berufen kämen her und trügen auch nicht unbedingt Leder.
„Jeder so, wie er will.“ Das Leder sei halt ein Fetisch, „jedem Tierchen sein Pläsierchens“, sagt er und lacht. Aber ansonsten gehe es darum, jemanden kennenzulernen, wenn auch nicht für die Ewigkeit. „Gesucht hat jeder was, das Glück für zehn Minuten.“
Die große Gay-Gaudi
Für Schwule ist es ein Pflichttermin: Beim Oktoberfest trinken und tanzen an diesem Sonntag 10 000 Männer. Die Klientel hat Geld – und schlägt sich nie.
Auszug aus/ Quelle/ Source:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.09.2008, Nr. 38, S.54
[…] Mag Berlins Gay-Szene auch größer und schriller sein: Schwule lieben München. Und München liebt Schwule. Nicht nur, weil hier an die 100 000 Homosexuelle und Lesbierinnen leben und sich ihnen zwischen Gärtnerplatz und Glockenbachviertel mit Kneipen wie „Ochsengarten“, „Edelheiss“ und „Pimpernell“ ein nahezu einzigartiges, weil geschlossenes und gemütliches Biotop der Szene bietet. München war außerdem lange Zeit vor Berlin die erste Stadt in Deutschland, die der „International Gay and Lesbian Travel Association“ beitrat; es war die erste Stadt, die auf der Internationalen Tourismusmesse (ITB) um schwule Touristen buhlte; München veranstaltete als eine der ersten deutschen Städte den Christopher Street Day, und in keiner anderen deutschen Stadt werden ähnlich hohe Summen für die Aidshilfe gespendet. Mehr noch: In keinem Kommunalparlament Europas ist eine schwul-lesbische Wählervereinigung vertreten – außer in München. Thomas Niederbühl, Abgeordneter der „Rosa Liste“ im Stadtrat, erklärt sich die Anziehungskraft der weißblauen Metropole auch „als eine Reaktion auf den konservativen Außendruck“, der vom reaktionären Bayernland „drum rum“ ausgehe. Niederbühl spricht von einer Melange aus „katholischer Doppelmoral und barocker Lebensfreude“. […]
Ochsengarten
Auszug aus/ Quelle/ Source:
tomontour.com, summer escape 2007
Ochsengarten
Auszug aus/ Quelle/ Source:
munich-cruising.de, Gay and Lesbian Guide, 2007
Die 1. Lederkneipe Münchens, bereits seit 1967 etabliert […] Anlaufstelle internationaler Besucher der Lederfreunde.
Die Königin von Bayern
Auszug aus/ Quelle/ Source:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 03.09.2006, Nr. 35, S.54
[…] Gemeinsam fuhren die beiden im 500er Mercedes-Coupé zum „Ochsengarten“, der legendären Leder-Hochburg, die bis heute die Nappa-Jünglinge in ihren Bann zieht. Nur die Badewanne auf der Herrentoilette ist inzwischen verschwunden, in die Mercury ausgelassen hineinsprang, ein Glas nach dem anderen kippte, die Linien wegzog und wildfremde Gäste zum Mitmachen animierte. […]
Ochsengarten
Auszug aus/ Quelle/ Source:
SERGEJ, Gay & Lesbian Guide to Munich, 2006
Das älteste Lederlokal Deutschlands ist ein „Muss“ für die Leder- und Fetischfreunde und bekannt in der ganzen Welt. Seit 39 Jahren existiert das Lokal in der Müllerstraße und hat allen Stürmen des Szenelebens getrotzt. Der Ochsengarten ist nach wie vor ein Zentrum der Münchner Szene, in dem sich Fetischfreaks von jung bis alt, von Leder bis Gummi wohl fühlen.
Known throughout the world’s gay scene, this is the oldest leather bar in Germany and a „must“ for leather and fetish friends. For 39 years it has been in Müllerstraße and survived all the ups and downs of the gay scene. Still the centre of the Munich scene, where fetish freaks – from young to old, leather to rubber – all feel at home.
Die Liebe vom Sebastianseck
Auszug aus/ Quelle/ Source:
Süddeutsche Zeitung, 04.2006
Heute wäre Freddie Mercury 60 Jahre alt geworden. In München führte der Frontmann von Queen ein Leben – und fand dort eine gute Freundin und seine „Liebe hoch drei“.
[…]
Steinhauser ist ein Bär von Mann. Sein Lokal in der Hans-Sachs-Straße führte er schon zwischen etwa 1982 und 1986. Damals lebte der Sänger in London und auch in München, erst in der Stollbergstraße, dann in Fußnähe zu Frisco und Teddy Bar in der Pestalozzistraße. „Hier in der Teddy Bar war er nur an Fasching“, erzählt Steinhauser, „das war die Faschingshochburg.“
Immerhin, es gibt sie noch. Auch der Ochsengarten in der Müllerstraße, den Steinhauser gepachtet hat und den Mercury oft besucht haben soll, hat der Zeit getrotzt. Doch Steinhausers Läden sind Ausnahmen. Wo das Frisco war, zum Beispiel, ist heute das Padres.
[…]
Ochsengarten
Auszug aus/ Quelle/ Source:
gaylife München – Nürnberg, Mai 2006
Lederspaziergang
Auszug aus/ Quelle/ Source:
SERGEJ, Gay & Lesbian Guide to Munich, 2006
[…] Dann rum um den Häuserblock zum Mutterhaus, dem Ochsengarten, Münchens Traditionslederkneipe seit 1967, Men only und Dresscode am Wochenende. Die Kneipe ist recht kommunikativ geworden, vorbei mit dem starren Herumstehen, viel Skin neben Leder. […]
A stroll in leather
[…] But now on to the „headquarters“, the Ochsengarten, Munich’s traditional leather bar established in 1967. Here it’s men only. It has become very friendly; gone are the days of „stand and stare“. You will see a lot of skin and leather here. […]
Men only, außer Gusti
Auszug aus/ Quelle/ Source:
SERGEJ.münchen, Mai 2004
Gusti, die Grand Dame der Münchner Gay-Szene, die bis zuletzt immer wieder bei einem Hütchen in irgendeinem Szenelokal anzutreffen war, verstarb am 12. April 2004.
Das Team vom Ochsengarten wird versuchen, die Bar in ihrem Sinne und in ihrem Gedenken weiterzuführen.
Wir vergessen Dich nicht!
Ochsengarten
Auszug aus/ Quelle/ Source:
SERGEJ.münchen, 2004
Das älteste Lederlokal Deutschlands ist ein „Muss“ für die Leder- und Fetischfreunde und bekannt in der ganzen Welt. Seit 37 Jahren existiert das Lokal in der Müllerstraße und hat allen Stürmen des Szenelebens getrotzt. Der Ochsengarten ist nach wie vor ein Zentrum der Münchner Szene, in dem sich Fetischfreaks von jung bis alt, von Leder bis Gummi wohl fühlen.
Known throughout the world’s gay scene, this is the oldest leather bar in Germany and a „must“ for leather and fetish friends. For 36 years it has been in Müllerstrasse and has survived all the ups and downs of the gay scene. As always, this is the center of the Munich scene where fetish freaks – from young to old, from leather to rubber – all feel at home.
35 Jahre Ochs´n
Auszug aus/ Quelle/ Source:
Our Munich, 11/2002
Abgeledert im Ochsengarten
Gestern und Heute
Auszug aus/ Quelle/ Source:
Löwenspiegel, 11/2000
Wer vor 10, 20 oder 30 Jahren erstmalig vorsichtig den Ochsengarten in der Müllerstraße betrat, der kann sich sicher noch gut an die ersten Eindrücke erinnern. Langsam schob man die schwere Türe auf und sah statt wilder Gestalten erstmal nur einen dunklen Vorraum. Nach einem unsicheren Blick um die Ecke stand man in Mitten einer schwarzen Menge, der intensive Geruch von Leder schien einen umzudrücken. Unweigerlich stellte sich nun heraus, ob man sich der „Lederszene“ zugehörig befand oder nicht. Diejenigen, deren erster Besuch im Ochsengarten länger als eine Stunde anhielt, kamen von da an sicherlich regel- oder unregelmäßig wieder…
Wer heute erstmalig den Ochsengarten in der Müllerstraße betritt, der bekommt als ersten Eindruck auch nur einen dunklen Voraum zu Gesicht. Der späht genauso durch den Vorhang, bevor er die eigentliche Bar endgültig betritt. Im Kopf sind noch die Bilder von unzähligen Tom of Finland-Zeichnungen, von schlechten, alten Leder-Pornostreifen sowie von reißerischen Fernsehberichten über die schwule Lederszene. Zu Gesicht bekommt er dann allerdings eine heitere und bunt gemischte Truppe, neben Schwarz leuchten Blau, Oliv und sogar quietschbunte Farben ins Gesicht, von Ledergeruch kaum eine Spur.
Der Ochsengarten wurde im November 1967 als Münchens erste schwule Lederbar eröffnet. Er versteht sich natürlich nach wie vor als solche, ist sicherlich mittlerweile sogar um einiges „ledriger“ als in den Anfangszeiten, in denen die schwule Szene noch sehr „übersichtlich“ war. Die Einstellungen und Vorlieben der Gäste haben sich in den Jahren kaum geändert, sehr wohl aber deren Outfit. Aus dem Wort „Leder“ entwickelte sich mehr und mehr ein Überbegriff für eine Fetisch-Szene, die nicht mehr zwingend am getragenen Leder erkennbar ist.
So zählen sich Fans von Uniformen, sei es die amerikanische Flecktarn- oder die französische Feuerwehr-Bekleidung, zur Lederszene wie Kerle in engen Gummianzügen. Der Ochsengarten hat sich in den letzten Jahren auch zur Treffpunkt für Skins aus aller Welt entwickelt, die bekanntlich mit Ausnahme ihrer akribisch geschnürten Boots ohne weitere Bekleidung „tierischen Ursprungs“ auskommen. Von Zeit zu Zeit gesellen sich auch gänzlich synthetisch gekleidete Gäste hinzu: der Anteil an hautenger oder weiter Sports-Gear wird in der nächsten Zeit sicherlich noch zunehmen; zu Hause tragen bereits genügend Sportler ihr Radler-, Motocross-, Soccer- oder Wrestling-Outfit. Auch Blaumann und enge Jeans ziehen am passenden Kerl entsprechende Blicke auf sich. Und, dass Lederbekleidung nicht unbedingt schwarz sein muss, zeigen die vielen Motorradfahrer, die ebenfalls quietschbunte Farben in den Ochsengarten tragen.
All diese unterschiedlichste gekleideten „Lederkerle“ haben aber dennoch die Vorlieben zum geilen und „butchen“ Mann, zum derbe(re)n Sex, zum unkomplizierten Kennenlernen, zum direkten Umgang und zum offenen Darstellen ihrer sexuellen Vorstellungen gemeinsam. Und natürlich befinden sich immer einige „echte“ schwarze Lederkerle unter den Ochsengarten-Gästen und kommen Dank der insgesamt immer bunter werdenden Leder-Community endlich wieder richtig zur Geltung…
[OH]
Wie der Ochsengarten wurde, was er ist
Auszug aus/ Quelle/ Source:
First, 11/1998
Es war einmal ein Nuttentreff, im Herzen des Münchener Rotlichtviertels gelegen. Das Lokal ward, obwohl sich dort nie so große Tiere zeigten, OCHSENGARTEN genannt, und die Gäste mochten es sehr. Die Kellnerin Gusti mochte den Ochsengarten auch sehr. So sehr, dass sie ihn anno 1967 von ihrem Chef übernahm, als dieser sich zur wohlverdienten Ruhe setzte.
Gusti hatte allerdings nicht vor, das Lokal, das ja nun ihres war, so weiterzuführen, wie bisher. Inspiriert von einer Amerikareise hatte Gusti eine ganz andere Vorstellung von der Zukunft des Ochsengartens. Sie wollte ihn zum Erblühen bringen. Ganz Frau der Tat warf sich Gusti entschlossen ins Zeug und der Ochsengarten verwandelte sich quasi über Nacht in ein Lokal für Menschen, die sich in einer ganz speziellen Weise für andere Menschen des gleichen Geschlechts interessieren. „Homotreff“ sagten die Leute dazu.
Unter einem „Homotreff“ stellte man sich seinerzeit allerdings etwas Schummriges, Plüschiges vor. Dunkelrote Samtvorhänge, Spiegel mit vergoldeten Rahmen, Flitter und Tand. Der Ochsengarten sah indes ganz anders aus. „Kalt und trostlos“ fanden die Leute Gustis Lokal und sie blieben ihm fern.
Doch dann kam eines Tages eine gute Fee, die schwarze Lederkleidung und einen stählernen Ring um ihren Zauberstab trug. Diese Fee war eine ganz besondere, denn sie erfüllte nicht etwa Wünsche, sondern hatte selbst einen: Sie wollte ein Ledertreffen veranstalten und suchte Gustis Unterstützung. Schließlich hatte Gusti den Ochsengarten, der ganz besonders gut für ein solches Treffen geeignet schien. Die Fee mochte nämlich keinen dunkelroten Plüsch.
Stiefel, Ketten, Poster und Plakate wurden herbeigezaubert, und noch so mancher höchst dekorative Gegenstand aus dem Reich der Lederfeen. Plötzlich war der Ochsengarten eine ganz und gar andere Welt, in der es rustikal aussah und auch dementsprechend zuging. Was aber für Gusti noch viel wichtiger war: Rappelvoll, so berichtet der Chronist, war der Ochsengarten. So voll, dass er gar aus allen Nähten zu platzen drohte.
Für Gusti, ihren Ochsengarten und die ganze große Stadt drumherum war dies der Beginn einer neuen Zeit. Der Ochsengarten wurde nämlich, so wie die Fee ihn verzaubert hatte, zu einer absoluten Sensation, die es im rasanten Tempo vom „Geheimtip“ über die „Sehenswürdigkeit“ zu einer weltweit bekannten Drehscheibe des schwulen Lebens brachte und als Vorbild für viele Lokale allüberall diente…